37 - Große Straße 16


Bild 37 - Große Straße 16


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Fachwerkgiebel zur Straße

Virtueller Rundgang Große Straße 16

Schon auf den ersten Blick sticht das Gebäude Große Straße 66 aus der Bebauung der Altstadt heraus: Im Unterschied zu den Nachbarhäusern oder denen gegenüber präsentiert sich das historische Haus stolz mit seinem Fachwerkgiebel zur Straße.

Es ist damit das einzige giebelständige Gebäude in der Altstadt! Was dem heutigen Zeitgenossen vielleicht als Marotte erscheint, hat einen ganz anderen Hintergrund. Im Mittelalter zeigten die meisten Häuser mit dem Giebel zur Straße. Das hatte auch pragmatische Gründe: Die Dachgeschosse wurden oft zu Lagerzwecken genutzt. So war es einfacher, die Waren mit einem Flaschenzug von der Straße ins Dach zu befördern.

Die Sache hatte allerdings einen Haken: Steht der Giebel zur Straße, dann ragen an der seitlichen Grundstücksgrenze die Traufen der Nachbarhäuser direkt aneinander. Wenn man dazu bedenkt, dass die Dächer seinerzeit mit Reet, also Stroh, oder bestenfalls mit Holzschindeln bedeckt waren, versteht man, warum in vergangenen Jahrhunderten Feuersbrünste regelmäßig die Altstädte versehrten. Da half auch die schmale Brandgasse zwischen den Fachwerkgebäuden wenig. Auch Strausberg war betroffen, so vernichtete ein Stadtbrand im Jahr 1521 insgesamt 29 Häuser.

Weder die Pest, noch die gelegentlichen Brände hinterließen allerdings ein solches Trümmerfeld wie der Dreißigjährige Krieg. Jahrzehnte nach Kriegsende informierte 1670 eine offizielle Visite den Kurfürsten, dass es wohl keinen anderen Ort in der Mark Brandenburg gebe, der dringender Hilfe benötige, als diese arme Stadt. Von ehemals 236 Häusern waren gerade mal 89 bewohnt, von diesen wiederum 68 baufällig.

In eben diesem Jahr 1670 entstand als Fachwerkgebäude die heutige Große Straße 16. Vom Typus her handelt es sich um ein mitteldeutsches Mittelflurhaus. Erschlossen wurde das Grundstück über eine Zufahrt links vom Gebäude. Sie gehört heute zum benachbarten Grundstück Nr. 15 und wurde um 1850 überbaut. Im Gebäude befand sich eine Schwarze Küche und zum Hof hin eine Arbeitsstube. Die übrigen Räume waren der Wohnnutzung vorbehalten. Alte Quellen verweisen auf ein Renaissanceportal zur Großen Straße. Leider ging es wohl beim Umbau der Straßenfront 1859 verloren. Es kann dies ein Hinweis sein, dass beim Bau 1670 noch wesentliche Teile des Erdgeschosses aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg erhalten und in den Neubau einbezogen worden waren.

Anders als die meisten Nachfolgebauten in der Altstadt wurde der Giebel mit seinen Andreaskreuzen und dem Bauerntanzmotiv als Sichtfachwerk gestaltet. Üblicherweise entstanden zwar alle Neubauten nach dem Dreißigjährigen Krieg als Fachwerkgebäude. Doch nach dem Motto „Mehr Schein als Sein“ wurde das Fachwerk dort verputzt, um optisch als Ziegelbau zu wirken. Ziegelbauten konnten sich nur wohlhabende Bürger leisten und davon gab es in Strausberg nur wenige. Der eigentliche Wiederaufbau von Strausberg begann mit kurfürstlichen Subventionen erst um 1700. In den drei Jahrzehnten dazwischen war die Maßgabe durchgesetzt worden, alle Gebäude in der Stadt traufständig zu errichten. In diesem Fall grenzen nämlich die Nachbargebäude mit ihren Giebeln als einer frühen Form von Brandwänden aneinander. Das hemmte in der Folge die Ausbreitung von Bränden über ein ganzes Stadtgebiet erheblich.

Im Jahr 1723 besaß das Grundstück Große Straße 16 eine Braugerechtigkeit. Als Eigentümer wurde der Ratsherr Schwanhäuser genannt. Zu dem Grundstück gehörten auch zwei Hufen Land. Eine Hufe war dabei kein festes Maß, vielmehr bezeichnete das Flächenmaß das Areal, welches erforderlich war, eine Familie zu nähren. Insofern fielen Hufen im reichen Sachsen wohl deutlich kleiner aus als in der Mark Brandenburg mit ihren kargen Böden. Zwischen 1750 und 1858 befand sich die Große Straße 16 über mehrere Generationen im Eigentum der Familie Grabert. Seit 1913 gehört das Grundstück zusammen mit der Großen Straße 15 der Familie Magnus / König.

Im Jahr 1976 wurde das marode Fachwerk des Obergeschosses durch eine Ziegelwand ersetzt. Gleichzeitig wurde der Fachwerkgiebel mit Preolithschindeln verkleidet. Zwischen 1996 und 1998 wurde das repräsentative Gebäude mit einem Zuschuss aus Städtebauförderungsmitteln saniert. Seitdem prägt der Fachwerkgiebel das Erscheinungsbild der Großen Straße wesentlich mit.



Baujahr:   1670
Große Straße 15-16 um 1940

Große Straße 15-16 um 1940

Grosse Strasse 16 im Jahr 1996

Grosse Strasse 16 im Jahr 1996

Grosse Strasse 15 und 16 im Jahr 1996

Grosse Strasse 15 und 16 im Jahr 1996